24.02.2014

Weshalb Tscheb ohne Eisenbahnstation geblieben ist

Der nahezu 80jährige "Fahr Seppvetter" erzählte mir als wir im Jahre 1924 auf dem Bauernhof seines Sohnes Michael Fahr arbeiteten folgende Begebenheit:
Es dürfte zwischen den Jahren 1870-75 gewesen sein. Damals wurde die Eisenbahnstrecke Neusatz-Sombor ausgesteckt. Die Strecke sollte von Neusatz über Veternik-Futog-Begec-Glozan-Tscheb-Palanka führen. Doch der damalige Großgrundbesitzer Gedeon Dundjerski war dagegen. Er hatte damals folgende Gründe für sich: Durch den Bau der neuen Bahnstrecke hätte er viel Ackerland verloren, auch hätte die genannte Streckenführung ihm so manches Ackerland durchquert. Also wieder Verlust. Im Gemeinderat Tscheb waren zur damaligen Zeit überwiegend oder gar ausschließlich Landwirte vertreten. Auch sie befürchteten das gleiche wie Dundjerski. So war es für den Großgrundbesitzer kein Kunststück, diese zu überzeugen, dass die geplante Streckenführung nichts als Nachteile bringe.
Ein weiterer Grund, weshalb der Magnat gegen die Streckenführung der neuen Eisenbahn war, ist der, dass Dundjerski in der ganzen Umgebung der alleinige Getreidegroßeinkäufer bis dahin war. Das von ihm aufgekaufte Getreide wurde an der Donau eingeschifft, manchmal bis zu hundert Waggon in einen Schlepper, und von da in alle Welt transportiert. Die Schrenkische-Wirtschaft hat diesem Unternehmen seine Existenz zu verdanken. Die Bauern der Umgebung aus Gajdobra, Bulkes, Petrovac, Glozan, Kulpin, Schowe, Silbasch und Palanka brachten mit dem Pferdefuhrwerk ihr Getreide nach Tscheb zu Dundjerski. Sobald diese ihr Getreide verladen und das Geld dafür erhalten hatten, machten sie Einkehr oder Mittagspause bei der Gaststätte Schrenk. Dundjerski befürchtete, sobald die Gemeinde eine Bahnstation erhält, werden hier auch kleinere Verkäufer auftreten und ihm durch waggonweise Lieferungen Konkurrenz machen.
Um die geplante Streckenführung der neuen Eisenbahn zu verhindern, soll der Grundbesitzer bis ins Verkehrsministerium nach Budapest gereist sein.
Da ihm hier kein Erfolg beschieden war, versuchte er es auf einem anderen Weg. Er ging zum Obergespann nach Sombor. Dieser war auch Großgrundbesitzer. Beiden gelang es dann, den Streckenplan dahin zu ändern, dass Tscheb ausgeklammert wurde. Die neue Strecke führte über Petrovac, Bulkes, Gajdobra. Tscheb aber wurde in die Ecke gestellt. Der Obergespann soll für sein Bemühen 4 Schweizer Zuchtkühe erhalten haben, die ihm direkt aus der Schweiz angeliefert wurden. Zwei von diesen bezahlte der Grundbesitzer, zwei die Gemeinde Tscheb.
Etwa 15 - 18 Jahre später baute Dundjerski die große Brauerei, die Spiritusbrennerei und die Dampfmühle. Nun erwies sich für den Grundbesitzer, welchen Schaden er durch die Verhinderung der geplanten Streckenführung eingehandelt hat. Jetzt musste er in großen Mengen das erzeugte Bier und Spiritus und anfangs auch das Mehl bis zur 12 - 14 km entfernten Bahnstation zur Verladung transportieren. Auch im Getreidehandel trat eine Veränderung ein. In den einzelnen Gemeinden, die über eine Bahnstation verfügten, traten Getreidehändler auf und lieferten waggonweise das Getreide an die Großhändler. Die Lagerhäuser aber im herschaftlichen Hof des Großgrundbesitzers standen nur noch für die eigene Ernte da und waren das Jahr hindurch nur zu halben Kapazität benutzt.
Für die Echtheit dieser Geschichte bürgt, dass der Vater des Fahr-Seppvetters zur damaligen Zeit Mitglied
es Tscheber Gemeinderates war. Von ihm dürfte der Seppvetter es erfahren haben.
(von Franz Nachbar, Maximiliansau)